GLÜCKLICHER BAUCH - WEISER BAUCH

Ich möchte eine Lanze brechen für Bäuche!

Auf der Suche nach Bildern für diesen Blog Artikel war ich erstaunt, um nicht zu sagen schockiert. Ich suchte zuerst unter dem Stichwort „Bauch“. Was sich zeigte waren hunderte Bilder junger schwangerer Frauen und wenige Flachbäuche. Kein normaler Bauch, kein Männerbauch, kein Schmerbauch. Unter dem Stichwort „Bauch – Mann“ erschienen unzählige junge Machos mit oder ohne Waschbrettbauch. Das ist sehr aussagekräftig.

 

Unser Bauch ist der weichste und empfindlichste Teil unseres Körpers.

Das Zwerchfell bildet die obere Grenze des Bauches, der Beckenboden die untere Grenze. Direkt unter dem Zwerchfell sitzt ein Geflecht aus Fasern des vegetativen Nervensystems – das Sonnengeflecht oder Solar Plexus. Über diesen Nervenknotenpunkt, der strahlenförmig zu allen Bauchorganen Kontakt hat, werden Informationen zwischen Hirnstamm, Bauchorganen und Gefäßen ausgetauscht. Ein fester Schlag oder Tritt an den Solar Plexus kann zur sofortigen Ohnmacht oder im schlimmsten Fall zum Tod führen. Es ist mir jedes mal ein Graus, zur  besten Fernsehsendezeit Gewaltszenen zu sehen, in denen bereits am Boden liegenden Menschen mit voller Wucht in den Bauch getreten wird. Ganz abstrus wird es, wenn diese dann quasi symptomlos wieder aufstehen, als wäre nichts gewesen. Was für ein Signal an die Zuschauer wird da eigentlich vermittelt?

Im Bauchraum befinden sich Magen, Darm, Milz, Leber, Bauchspeicheldrüse, Nieren, Blase, Gebärmutter, Eierstöcke, Muskeln und Gefäße. Eine empfindsame Höhle, die viele wichtige Funktionen des Lebens beherbergt. Um so mehr wundert es mich, dass wir so schändlich mit unseren Bäuchen, den weisen und weichen Körperteilen, umgehen. Wir mögen sie nur wenn sie flach sind, durchtrainiert, muskulös, gestählt. Wir tragen super enge Hosen, straffe Gürtel, ziehen den Bauch ein oder verstecken ihn unter wallenden Hemden. Der Bauch muss flach sein. So diktiert es die Modewelt. Wer Bauch hat, lässt sich gehen, ist nicht diszipliniert und unansehlich. Wir absolvieren  BauchBeinePo Trainings und quälen uns mit Sit-ups. Den Bauch trainieren. Da stöhnen die meisten auf. Ein Waschbrett Bauch ist Wahrzeichen des schönen Mannes, aber auch Frauen wollen ihn heutzutage unbedingt herzeigen können. Es scheint, als würden wir uns mehr dafür interessieren, wie der Bauch aussieht, als dafür was in ihm geschieht. Wir haben verlernt unseren Bauch zu spüren, seine weiche Struktur zu mögen, auf unser Bauchgefühl, unsere Intuition, zu vertrauen. Kein Wunder, dass die Pharmaindustrie ein Heidengeld macht mit Medikamenten die dem Bauch helfen sollen, wieder gut zu funktionieren. Blähbauch, Bauchweh, Verdauungsbeschwerden, Verstopfung, Durchfall, Übelkeit, Magenschmerzen......

Schauen wir in nicht westliche Kulturen zeigt sich uns ein völlig anderes Bild. Der Bauch gilt dort als der Ort, wo die Stille eines Buddhas und die Kraft eines Tigers vereint sind.

 

Aus dem Yoga und dem tantrischen Hinduismus stammt die Lehre der Chakren, der  Energieknotenpunkte, die entlang der Innenseite der Wirbelsäule verortet sind. Manipura Chakra, zwei Fingerbreit oberhalb des Nabels, bedeutet wörtlich übersetzt Ort der Juwelen. Es entspricht in etwa unserem Verständnis des Sonnengeflechts. Manipura Chakra ist Zentrum der Lebenskraft. Die Juwelen sind Weisheit, Klarheit, Wohlbefinden. Hier lebt die Intuition, das Bauchgefühl, das sogenannte zweite Gehirn.

Im Unterbauch, also im Becken, wohnt Apana, die weibliche Energie. Apana Energie wird durch den Ausatem entfacht und bewegt sich im Körper nach unten. Es bringt dich energetisch in die Beine und weiter in die Erde. Apana, die erdende Kraft. Wenn Apana fließt, bist du präsent und mit Mutter Erde verbunden. Apana verbindet dich mit deiner Weiblichkeit. Dann lebst du in deinem Becken. Laut yogischem Verständnis kontrolliert Apana die Bewegungen und Funktionen von Nieren, Blase, Genitalien, Dickdarm und Enddarm.

In den Atemübungen des Yoga, dem Pranayama, und in der Meditation ist es mir immer ein Anliegen, dass die SchülerInnen den Bauch weich halten, ihn entspannen, loslassen.

 

Für die Japaner ist die Mitte des Körpers zwei Finger breit unter dem Nabel – das so genannte Hara. Dort ist der Sitz der Seele heißt es in allen japanischen Kampfsportarten.

Es gibt viele Buddhas mit fettem Bauch. Der berühmteste ist der Glücks-Buddha Hotei, der sein Leben der Genügsamkeit und dem Spiel mit Kindern widmete. Er steht für Leichtigkeit, Lebensfreude und Humor. Chinesen streichen ihm im Vorbeigehen liebevoll über den üppigen Bauch. Der dicke Buddhabauch steht also dafür, dass sein Träger alle weltlichen Wünsche hinter sich gelassen hat und nun bereit ist ins Nirvana einzugehen.

In nicht westlichen Kulturen ist der Bauch viel häufiger weich, entspannt und sanft gewölbt.

 

Es ist kein Widerspruch eine gesunde, starke Bauchmuskulatur und einen weichen, entspannten Bauch zu haben.

Ein starker Bauch und ein angespannter, angestrengter Bauch sind zwei verschiedene Paar Schuhe.  

Die Bauchmuskeln haben die Aufgabe die Bauchorgane am Platz zu halten, sie helfen uns beim kräftigen Ausatmen z.B. beim Husten, Erbrechen etc. aber auch beim Joggen, und sie stabilisieren unseren Rumpf und hier im Besonderen die Wirbelsäule. Es ist wichtig die Bauchmuskeln mit Achtsamkeit bis ins hohe Alter zu benutzen da ihre ausgewogene Kraft unseren Rücken gesund hält.

Wann arbeiten die Bauchmuskeln am effektivsten? Zu dieser Frage gibt es Forschungsergebnisse. Wie wir bereits gehört haben ist die Hauptaufgabe der Bauchmuskeln  die Stabilisierung des Rumpfes. 

Die Bauchmuskeln kontrahieren, wenn wir große Bewegungen mit Armen oder Beinen machen. Das gilt im Stand, in Rückenlage oder im Vierfußstand. Die effektivste Übung, um die Bauchmuskulatur zu stärken, ist das Brett (plank-pose oder phalakasana). Das Brett ist nachweislich effektiver als alle sit-ups, da die Bauchmuskeln den Rumpf gegen die Schwerkraft halten müssen. Hierbei ist es immens wichtig den Körper gerade wie ein Brett zu halten. Wenn der untere Rücken durchhängt, also in die Rückbeuge geht, werden die Bauchmuskeln wesentlich weniger arbeiten, da sie gedehnt werden. Zieh also in der Brett Haltung das Steißbein bewusst Richtung Erde. Außerdem besteht Verletzungsgefahr für den unteren Rücken wenn deine Taille Richtung Erde hängt.

 

 

Noch etwas zum Thema Lebenszyklen und Bauch. Während Menstruation und Schwangerschaft sollten Frauen liebevoll mit ihren Bäuchen umgehen und das Bauchgefühl nutzen um herauszufinden, was gerade jetzt guttut. Während des Klimakteriums, und hier reden wir von 5 bis 10 Jahren, durchläuft der weibliche Körper eine große Veränderung. Frauen nehmen in dieser Phase meist ca. 5 kg Körpergewicht zu und die Fettverteilung stellt sich um. Fett wird ab jetzt viel mehr am Bauch gespeichert als an Beinen und Hüften da das Bauchfettgewebe weibliche Hormone herstellt. Wann befrieden Frauen sich endlich mit dieser natürlichen Veränderung und hören auf, einem gnadenlosen und frauenfeindlichen Körperbild nachzujagen.

Ein Waschbrettbauch ist unnatürlich und einseitig trainiert. Ich finde ihn außerdem hässlich.

Ein flacher Bauch bei einer älteren Frau ist ebenso unnatürlich, es sei denn, sie ist ein magerer Typ Mensch. Eine kräftige Bauchmuskulatur ist wichtig, darüber darf aber gerne eine kleine Fettschicht sein. Zu viel Fett am Bauch ist sicher nicht gesund. Es gilt mal wieder eine gute Mitte zu finden. Menschen sind sehr verschieden in ihrer äußeren und inneren Form. Freuen wir uns an der Vielfältigkeit und hören wir auch beim Thema Bauch auf zu werten.

Es wäre viel schöner und entspannter, wenn wir unseren inneren Hotei aktivierten und uns mit wohligem Gefühl über den Bauch streicheln.