FREUDE - ANANDA

Je schöner und voller die Erinnerung, desto schwerer die Trennung. Aber die Dankbarkeit verwandelt die Erinnerung in eine stille Freude. Dietrich Bonhoeffer

Ich sitze am Fenster, die Morgendämmerung ist rot und klar, ein blauer Tag erwacht. Ich spüre Freude in mir darüber, dass ein weiterer Novembertag mit so viel Licht daherkommt.

 

Freude kann einem leicht abhanden kommen in diesen schweren Monaten der Pandemie, die nun schon hinter uns liegen.

Freude zu empfinden ist essentiell wichtig für die Gesundheit von Körper und Geist. Wenn wir uns freuen fangen Mund und Augen an zu lächeln, das Herz entspannt sich, wir fühlen uns wohl. Das Gefühl von Freude aktiviert die Ausschüttung von Botenstoffen im Körper, welche uns Glück empfinden lassen, die Aufmerksamkeit schärfen und emotionale Bindungen stärken. Sich zu freuen hilft uns dabei, unsere Widerstandskraft zu entwickeln.

Wie also können wir Freude kultivieren, auch wenn der Alltag oft mühsam, fordernd und ohne Licht erscheint? Einige Dinge sind für mich zur Kultivierung von Freude wichtig:

Als erstes die Mitfreude (Mudita) – vor einigen Tagen sah ich meinen Enkeln beim Drachen steigen zu. Leuchtende Augen folgten dem Spiel der Drachen im Wind. Freudige Aufgeregtheit bei den Kleinen, Mitfreude bei mir. Es ist ein hohes Gut sich mit anderen und für andere freuen zu können.

Als Zweites die Achtsamkeit. Wenn ich meine volle Achtsamkeit, meine tiefe Konzentration, in mein Handeln bringe, empfinde ich Freude. Gestern habe ich meine Rittersternzwiebeln in Töpfe gepflanzt und das zu einer meiner täglichen Achtsamkeitsübungen erkoren. Was für eine Freude. Die Vorfreude auf die wunderschönen Amaryllisblüten nicht zu vergessen.

Ein weiterer, Freude spendender, Punkt ist für mich die Dankbarkeit. Morgens, auf meinem Meditationskissen, frage ich mich:  Für was bist du heute dankbar? Irgendetwas fällt mir immer ein und immer heben sich meine Mundwinkel. Und meine Stimmung hebt sich mit. 

 

Für mich gibt es noch etwas ganz wichtiges, um Freude zu kreieren. Hinaus gehen in die Natur. In Stille gehen, die Wiesen und Wälder wahrnehmen, so wie sie sind, eine Blume betrachten oder die Milane beim Flug.

Mein alter Vater sagt, ihm bereitet es Freude sich an all die schönen Dinge seines Lebens zu erinnern.

Für Friedrich Schiller ist Freude das Prinzip, das alles Leben antreibt.

 

Und noch etwas bringt Freude in mein Leben: Yoga

 

In den Yoga Sutren des Patanjali heißt es:

 

वितर्कविचारानन्दास्मितारूपानुगमात्सम्प्रज्ञातः || 1.17 ||

vitarka-vicārānandāsmitā-rūpānugamāt samprajñātaḥ

 

Sriram erklärt dieses Sutra in seinem Buch “Patanjali, Das Yogasutra“ folgendermaßen:

Bei längerer und beharrlicher Übung mit Gleichmut gehen Gedanken und Gefühle zunächst abwägend und diskursiv auf das gewählte Thema zu, erst nach und nach entstehen tiefere Erkenntnisse. Wird ihre Ausrichtung weiter aufrecht erhalten, folgt ein innerer Glückszustand (Freude) und dann das vollkommene Erfassen des Themas und die Einheit mit ihm.

 

Freude ist also laut Patanjali das Gefühl welches entsteht, wenn ich einen Geistesgegenstand vollkommen durchdringe, ganz eintauche. Darin enthalten ist natürlich Achtsamkeit, Hingabe, Konzentration und das Zurückziehen der Sinne von Außen nach Innen (Pratyahara).

 

Iyengar sagt:

Aufgrund von Übung bilden sich vier Arten von Bewusstheit:

Vertiefung von diskursivem Denken und Analyse, Vernunft, Freude und Einssein mit sich selbst. Zusammen bilden sie Samadhi – die vollständige Versunkenheit.

 

Beim Üben von Asana können wir diese vier Stufen gut nachvollziehen. Zuerst üben wir auf einer rein körperlichen Ebene. Wir erleben den Körper in der Ausrichtung und spüren unsere stetig zunehmende Kraft. Dann, allmählich, sinkt das Verstehen des Asana in unser reines Empfinden. Wir durchdringen es in einer tieferen Dimension. Wir füllen es mit der Intelligenz des ganzen Körpers. Diese Tiefe erfüllt uns mit großer Freude. „ Bei vollkommener Beherrschung eines Asana werden das Erkannte und der Erkennende eins. Der Übende hat das Bewusstsein des Asana und seines Körpers verloren und ruht in sich selbst.“ (Iyengar)

Das ist Samadhi.

 

Bleibt nur noch die Frage: Was macht Dir Freude?


Tausende von Kerzen kann man am Licht einer Kerze anzünden ohne dass ihr Licht schwächer wird.

Freude nimmt nicht ab, wenn sie geteilt wird.       

Buddha