ICH WEIß, DASS ICH NICHTS WEIß

Ich habe lange überlegt, wie ein Blog-Artikel in dieser ver-rückten Zeit aussehen könnte. Corona – die Krone......Machtsymbol der Herrscher und Herrscherinnen. Und ja, Corona beherrscht unser Leben, oder besser: Der Umgang mit Corona beherrscht unser Leben.

Ich frage mich, in welchen Facetten diese Krise unsere Gedanken und damit auch unsere Gefühle bestimmt?

Die widersprüchliche Berichterstattung verwirrt, hinterlässt Unsicherheit. Die mediale Panikmache infiziert viele Menschen mit Angst. Und die war noch nie ein guter Ratgeber.

Es scheint, als würde die eigene Gesundheit und die unserer Nächsten unser ganzes Denken bestimmen.

Manche tun so, als wäre Covid19 gar nichts, sie spielen runter. Ob das eine ganz individuelle Methode der Angstbewältigung ist?

Andere vergehen in ihren Ängsten und können sich kaum mehr regulieren.

Ich höre immer öfter Menschen sagen, dass sie die Corona Gedanken gar nicht mehr stoppen können. Die Angst vor Krankheit, Tod und existenzieller Not greift um sich.

Ich schalte ganz bewusst den Fernseher aus, halte mich fern von youtube und Social Media, informiere mich ein Mal täglich. Ich habe mich entschieden, meinen Geist nicht mit Meldungen zu überfüttern und ich halte mich an meine Entscheidung! Belohnt werde ich mit Abenden in Stille, Nachmittagsstunden im Wald oder mit besinnlichen Momenten in denen ich dem Wind bei seinem Spiel in den Blättern des Bambus vor meinem Fenster zuschaue.

Heute Abend sitzt mein Vater, nach langer, schwerer Krankheit, endlich wieder mit uns am Tisch. Das Abendessen ist beendet. Wir schauen ganz still hinaus ins Land. Die Sonne geht orange hinter den Hügeln unter und plötzlich fängt der 95jährige an Goethes Osterspaziergang zu rezitieren.

Seit meiner Kindheit tut er das immer am Ostersonntag. Heute tut er es aus Freude. Er ist gerade dem Tod von der Schippe gesprungen und die Schönheit der untergehenden Sonne muss ihn inspiriert haben.

Osterspaziergang

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche,

Durch des Frühlings holden, belebenden Blick,

Im Tale grünet Hoffnungs-Glück;

Der alte Winter, in seiner Schwäche,

Zog sich in raue Berge zurück.

Von dorther sendet er, fliehend, nur

Ohnmächtige Schauer körnigen Eises

In Streifen über die grünende Flur;

Aber die Sonne duldet kein Weißes,

Überall regt sich Bildung und Streben,

Alles will sie mit Farben beleben;

Doch an Blumen fehlt’s im Revier,

Sie nimmt geputzte Menschen dafür......

                                                    J.W.Goethe

                                                                                                                Keiner von uns weiß, wie es weitergehen wird. Wir wussten es                                                                                                                  letztlich noch nie! Jetzt wird uns das in aller Tiefe bewusst.                                    

                                                                                                                Der Frühling lässt sich nicht beirren, auch nicht von Corona.

 

                                                                                                                Die Erde atmet auf.

 

 

 

Draußen steigt jetzt hinter der Hainbuche ein riesiger gelber Mond auf. Ich sitze auf meinem Meditationskissen und ein Gedicht des Zen Mönchs Ryokan verselbständigt sich in meinen Gedanken:

 

 

 

 

 

"Sich dem eigenen Wesen anzuvertrauen,

ist Vereinigung mit dem Weg,

und die Sorgen werden zunichte,

als schlenderte man unbekümmert einher."

                                                                               Ryokan