Alignment - Ausrichtung

Alignment ist das tragfähige  Zusammenspiel aller zugehörigen Teile. Dabei fragen wir uns, wie die Asanas – die Yogahaltungen -  auf Körper und Geist wirken, wenn wir über einen langen Zeitraum wieder und wieder üben? Wie ist die Balance zwischen Stabilität und Mobilität?

 

Iyengar-Yoga beschäftigt sich sehr viel mit dem Alignment – der Ausrichtung. Dabei geht es nicht nur darum, den Körper in den Asanas „richtig“ auszurichten – die Füße bewusst zu platzieren, die Hüfte zu öffnen oder zu schließen, die Muskeln anzuspannen, die für die jeweilige Haltung wichtig sind, auch um Verletzungen vorzubeugen, die Extremitäten optimal auszurichten und, und, und. Es geht auch – und je fortgeschrittener wir üben, umso mehr – um die innere Ausrichtung, das innere Wahrnehmen auf körperlicher und geistiger Ebene. Durch Asana und Pranayama – Atemlenkungen -  lernen wir, tiefer in die Wahrnehmung unseres gesamten Seins vorzudringen.

Wir verlängern den Körper mit dem Einatem, strecken im Stand z.B. die Wirbelsäule und mit dem Ausatem erleben wir Entfaltung und Ausdehnung. Beides kann man sehr schön in Tadasana, der Berghaltung, und Shavasana, der Totenstellung, üben.

Sehr oft nutzen wir den Ausatem, um in ein Asana hinein zu kommen – z.B. atmen wir aus und beugen uns dabei vor. Oder wir atmen aus und ziehen den lang gestreckten Oberkörper in Trikonasana, die Dreieckhaltung. Es gibt unzählige Beispiele für die Aktion im Ausatem.

 

Zu Alignment gehört auch Spannung und Entspannung bewusst zu erleben und bewusst zu kreieren. Dies liegt mir ganz besonders am Herzen. Die meisten von uns leben mit sehr viel Anspannung, mit sehr vielen Anforderungen. Diese Anforderungen werden von außen an uns herangetragen – Schule, Studium, Job, Kinder etc. - aber sie kommen auch viel zu oft aus unserer inneren Welt. Wir wollen gut sein, schnell sein, effizient sein, erfolgreich sein, ......Anspannung. Sorgen wir dabei genug für den entsprechenden Ausgleich? Bewusste Entspannung?

Stellen wir uns einen Bogenschützen vor, der seinen Bogen immer nur gespannt hält, zum Abschuss bereit, aber nie loslässt. Irgendwann wird die Bogensehne reißen. Nur ein ausgewogenes Zusammenspiel von Anspannung und Entspannung – loslassen -  kann die Bogensehne heil halten und den Pfeil ins Ziel bringen.

Beim Üben von Asanas können wir diese Ausgewogenheit von Anspannung und Entspannung etablieren. Als Anfänger kehren wir vielleicht während der Praxis immer wieder in die Kindhaltung oder die Rückenlage  zurück. Wenn wir fortgeschrittener üben, erleben wir dieses Loslassen im Asana. Wir nehmen das Asana ein und bleiben. Dann beginnt das innere Alignment. Strecken im Einatem, ausdehnen im Ausatem, spüren, den Geist entspannen, spüren, spüren, spüren. Beobachten, agieren, beobachten, reflektieren. Unsere Yogapraxis entwickelt sich über die Jahre und unsere Bewusstheit für uns selbst entfaltet sich. Wir bewegen diese Bewusstheit von der Peripherie zur Mitte -  von Außen nach innen - und wieder zurück von der Mitte zur Peripherie. Stehen wir z.B. in Urdhva Hastasana - Arme im Stand nach oben gestreckt - so berühren wir mit den Füßen und den Fingerspitzen die Peripherie. Bringen wir die Arme mit dem Ausatem über die Seite zurück an die Hüften, so kehren wir zur Mitte zurück. Oder wir beobachten mit unserem Geist die Ausrichtung des Körpers und kehren dann nach Innen, zur Atmung, zum Strecken und Ausdehnen, zurück. Peripherie und Innen. Immer im Austausch. Immer im Wechsel. Von Innen nach Außen, von Außen nach Innen.

Verändere auch immer mal deine Basis. Stell die Füße weiter auseinander und spüre, wie sich die Haltung jetzt anfühlt. Dann stell sie näher zueinander und spüre. Spüre ohne zu werten. Nur spüren. Weiter öffnen oder enger stellen. Verändere die Basis, um mehr Freiheit und Stabilität in deine Yogaerfahrung zu bringen.

 

Weitere wichtige Punkte in der Alignment-Praxis sind Sequencing, Timing und Komplikationen.

 

Sequencing bedeutet, dass du entscheidest, welche Asanas aufeinander folgen. Probiere aus, spüre, was dir gut tut und verändere das Sequencing, um das Spüren zu lernen. Übe nicht, festgefahren, immer dieselben Reihenfolgen. Spiele mit dem Sequencing und erfahre dabei deinen Körper und deinen Geist.

 

Auch das Timing ist ein wichtiger Bestandteil des Übens. Wie lange bleibe ich in den Haltungen. Was tut mir heute gut, was an einem anderen Tag? Wie viel Herausforderung brauche ich und was ist zu viel. Wann übe ich heute? Morgens oder abends? Wann an einem anderen Tag? Vielleicht ist es ja morgens noch schön kühl und abends viel zu heiß. Oder ich bin morgens eilig und brauche eher abends eine entspannende Praxis zur Nacht. Lerne, auf deinen Körper zu hören.

 

Dabei sind Komplikationen der Schlüssel zu unserer Praxis. Wenn ich z.B Kreuzschmerzen habe überlege ich, welches Sequencing hilfreich sein kann? Probiere bewährte Asanareihen und fühl dich frei, sie so zu erweitern, dass sie zu dir passen. Reflektiere, was zu den Komplikationen geführt hat und verändere dein Handeln dementsprechend. Eine Komplikation könnte auch sein, dass dir ein bestimmtes Asana nicht gelingt. Finde einen Umgang damit, der von Selbstmitgefühl getragen ist. Vielleicht musst du mehr üben, vielleicht musst du aber auch Grenzen akzeptieren oder dich von zu hohen Ansprüchen verabschieden. Eine Gratwanderung.

 

Fokussiere dein Zentrum der Schwerkraft und dein Gefühl für Alignment während des Übens. Dabei ist der schwächste Teil der Ursprung der Bewegung. Wenn ich z.B Knieprobleme habe, richte ich meine Praxis so aus, dass ich das Knie nicht überfordere und es trotzdem bewege und die Muskeln fördere, die das Knie entlasten. Stärke schwache Teile und entspanne die Verkrampften.

 

Beobachte Ursache und Wirkung. Frag dich, was ist wenn.....? Was passiert, wenn ich z.B. den Abstand zwischen den Beinen in der Dreieckhaltung vergrößere? Und wie fühlt es sich an, wenn der Atem dabei sanft und tief fließt? Wie nehme ich meinen Geist wahr, während des Übens und nach dem Üben?

 

Was mache ich? Wie mache ich es? Warum mache ich es? Diese drei Fragen führen uns in eine von Achtsamkeit getragene Yogapraxis.