Yoga kam in mein Leben

Yoga Citta Vrtti Nirodhah - Yoga ist das zur Ruhe bringen des Geistes

Es war wie die erste Begegnung mit einem Menschen, der mir  so vertraut vorkam, als wäre er ein alter Freund.

 

Zwei Mal im Jahr besuchte ich eine Schweige-Meditationswoche in einem Zen Zentrum. Die TeilnehmerInnen teilten sich am Vormittag jeweils in zwei Gruppen auf. Die eine Gruppe ging hinaus  zum Bogenschießen. Die andere verschwand im Dojo, um Yoga zu üben. Ich übte seit zwei Jahren mit dem Bogen.

Wenn  sich die Tür des Dojo  nach zwei Stunden wieder öffnete, raubte mir ein Schwall verbrauchter Luft den Atem. Mein Geist wertete sofort, wie so oft. Wie konnte man es auch nur eine Minute in so einer Luft aushalten.

Und dann kam der Tag, an dem sich mein Schultergelenk entzündete. Bogenschießen ade.

Nun saß ich also auf einer Yogamatte in einem schlecht belüfteten Raum und meine Gedanken wanderten mehr als 20 Jahre zurück. Damals war ich 18 Jahre alt. Ein dickes gelbes Yoga-Buch war zu mir gekommen, ich erinnerte nicht mehr auf welchem Weg, aber ich hatte einige Monate lang mit Hilfe dieses Buches Yoga-Asanas gelernt. Ich hatte mit Staunen und Begeisterung die „Autobiographie eines Yogi“ von Yogananda gelesen und dann war der Yoga, mangels Lehrer, wieder verblasst. Dieses Verblassen ist eines der wenigen Dinge, die ich bedaure in meinem Leben. Die asiatische Philosophie allerdings, verblasste nie mehr. Ich las viel. Tagore, Krishnamurti, LaoTse, IGing, und und und, aber es dauerte noch viele Jahre bis ich zum Zen und dann zum Yoga fand. Meine Neugier auf Indien jedoch, ließ nie nach. Erst mit 49 Jahren reiste ich zum ersten Mal in das Land meiner Sehnsucht.

JETZT lag ich auf meiner Matte, bereit mich noch einmal auf Yoga einzulassen. Ich bewegte meine Arme und Beine zur Musik meines Atems. Ich spürte meine Muskeln, Sehnen, Knochen. Ich synchronisierte Bewegung, Atem und Geist. Ich vergaß alle Fragen, alle Befürchtungen, alle Unsicherheiten.

Yoga hatte mich berührt. Tief in meinem Herzen öffnete sich eine Tür. Ganz von selbst. Bisher war sie immer angelehnt. Jetzt schwang sie auf und ich trat, von Leichtigkeit getragen, ein. Der Raum der sich mir eröffnete war groß, leer, warm und blau. Bewegen, atmen, ausdehnen, spüren. Stille.

Bisher hatte ich erst wenige Male in meinem Leben das Gefühl erlebt, ganz präsent zu sein, ganz im Augenblick, nicht in der Zukunft, nicht in der Vergangenheit, nicht in Bewertungen verstrickt, nicht mit dem Ego beschäftigt. Ich konnte jeden einzelnen dieser besonderen Momente benennen.

Auf der Yogamatte bekomme ich manchmal solche Momente geschenkt. Und zwar dann, wenn ich es nicht wünsche, erwarte, ersehne. Nur dann, wenn ich mich vergesse und ganz aufgehe im Tun, im Lassen, im Sein.

„Yoga citta vrtti nirodha“ heißt es bei Patanjali. Yoga ist das zur Ruhe bringen des Geistes.

Als ich an diesem Morgen den Dojo mit einem Schweif verbrauchter Luft verließ wusste ich, dass ich den Sprung in das große Wasser des Yoga bereits gemacht hatte, und zwar mit dem Kopf vorweg, und dass ich weiter schwimmen würde, tiefer tauchen würde,  mich tragen lassen würde.